Kunstgeschichtliche Betrachtungen des Flügelaltars

Der kostbarste Schmuck der Marienkirche ist der von den Geraer Kaufmanns-Familien Kudor f und Waltheym gestiftete gotische Altar. Er wurde durch Bischof Peter von Schleinitz(1434 - 1463) wohl kurz nach 1443 geweiht. Auf der Außenseite finden sich die Bilder von zwei Vertretern der Stifterfamilien, die durch ihre Wappen besonders kenntlich gemacht sind: Die hl. Margarete, der der Drachen nicht schaden darf, stellte Margarethe Hottritt, geb. v. Kudorf, die hl. Elisabeth, die den Bettler speist, Elisabeth Waltheym, geb. v. Kudorf dar, Gattin des reichen Patriziers Ludwig v. Waltheym in Leipzig, die in zweiter Ehe mit dem Leipziger Patrizier Hans Stuß verheiratet war.

Der in Holzplastik ausgestattete Mittelschrein trägt in der Mitte die gekrönte Maria mit dem Christkind auf dem Arm. Oben links: Ankündigung der Geburt an Maria; rechts: Maria bei Elisabeth (Heimsuchung). Unten links: Christi Geburt; rechts: Anbetung der Weisen. Maria ist jeweils in weinrotes Gewand gekleidet, das auf silbernem Grund gemalt ist. Über diesen Gruppen kunstvoll geschnitzte Baldachine, streng architektonisch gestaltet, keiner dem anderen gleich. Die Innenseite der Flügel tragen auf Goldgrund folgende Gemälde, oben links Vorstellung Jesu im Tempel; rechts: Flucht nach Ägypten; unten links: Kindermord des Herodes; rechts: Tod der Maria. Die schwarze Mönchsgestalt, die zu Füßen der sterbenden Maria - in demütiger Beugung sich von ihr und dem Apostelkreis abwendend - verharrt, soll wohl den hl. Franziskus darstellen und gibt somit möglicherweise einen Hinweis, daß der unbekannte Schöpfer des Altarwerkes im Orden der Franziskaner zu suchen ist (Saalfeld)

Von hier aus ergäbe sich auch eine mögliche Deutung des ganzen Altarwerkes: Ob es eine zentrale Aussage sein soll, daß der Geist der dienenden "Magd" des Herrn, der in krassem Gegensatz steht zur grausamen Gewalttat des Herodes, nach ihrem Tod in den Aposteln (vgl. dieselben Heiligenscheine!) und in der Kirche weiterlebt, nun besonders wirksam ist in den Armen dienender Brüder des hl. Franz - im Gegensatz zum Machtstreben der mittelalterlichen Kirchenfürsten - und daß diesem Geist des Dienens für alle Zeiten die Krone verheißen ist, mit der die biblische Magd des Herrn nun gekrönt ist? Im Hintergrund des Bildes könnte die alle anderen überragende Gestalt möglicherweise Christus darstellen mit einem Kind auf dem Arm.

Dies Kind könnte dann ein verstorbenes Glied einer Stifterfamilie sein, wie auch die anderen Personen ohne Heiligenschein wohl diesen Familien angehören mögen. Sollte in einem der beiden Mönche links im Hintergrund etwa der Schöpfer des Flügelaltares sich selber dargestellt und damit seine innere Verbundenheit mit der Aussage gerade diese Bildes angedeutet haben? Die Außenseite der Flügel zeigt noch je ein Osterbild. Oben links: Der Auferstandene vor Maria Magdalena; rechts: der Auferstandene und Thomas. Unten links: die hl. Margarete von Antiochia, die nach der Legende in der Nacht vor ihrem Märtyrertod im Kerker die Erscheinung eines Drachen hatte, der sie zu verschlingen drohte, aber ohne ihr schaden zu dürfen, wieder weichen mußte. Rechts: die hl. Elisabeth von Thüringen im Dienst der Liebe.

Kantate zum Unterhäuser Marienaltar

In Gera-Untermhaus, in pittoresker Lage zwischen Weißer Elster und Schloss Osterstein und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Geburtshaus von Otto Dix gelegen, steht eine der schönsten und ältesten Kirchen Geras – die Marienkirche. Ihre Baugeschichte reicht bis in die Zeit um 1200 zurück; ihr kostbarstes Schmuckstück ist ein spätgotischer Flügelaltar, welcher um 1443 geweiht wurde. Im Zentrum seines Mittelschreins findet sich eine gekrönte Maria mit dem Christkind auf dem Arm.

Vier kunstvoll geschnitzte, farbige Reliefs umrahmen die Holzplastik und werden von weiteren vier auf Goldgrund gemalten Szenen aus ihrem Leben ergänzt. Zu sehen sind unter anderen Darstellungen von der Geburt Christi, der Anbetung der Weisen, vom Kindermord des Herodes und von der Flucht nach Ägypten. Viele dieser farbenfrohen Bilder mögen auch das Kind Otto Dix beeindruckt, manch eindrückliches Detail sich vielleicht in sein Gedächtnis eingebrannt haben. Ob einzelne Elemente seiner religiösen Bilder auf diese ersten Eindrücke zurückgehen, mag Spekulation sein. In jedem Fall rechtfertigt die großartige Arbeit des unbekannten Schöpfers eine genaue Betrachtung.

Ihr widmet sich nun das ensemble diX und hat den Thüringer Kompositionspreisträger Peter Helmut Lang beauftragt, ein Werk zum Untermhäuser Marienaltar für Sopran und Bläserquartett zu schreiben. Diese erklang im Jubiläumsjahr der Reformation 2017, wobei seine Entstehung zusätzlich eine einmalige Besonderheit für die Gemeinde mit sich brachte.Jedes einzelne Bild des Flügelaltars wurde in einem eigenen Musiksatz erhalten.