Predigt am 2. Advent in St. Marien, Gera Untermhaus.

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Ist das Reich Gottes eigentlich wie das Schlaraffenland? Sie erinnern sich: Zuerst muss man die Mühen des Grießbreiwalls durchstehen. Da muss man sich hindurch essen. Aber dann, wenn man auf der anderen Seite ist, da fliegen dann die gebratenen Hähnchen durch die Luft, und auf den Wiesen stehen Lutscher als Blumen. Die Menschen dort haben dicke Bäuche und liegen einfach nur herum. Sogar zum Sitzen fehlt ihnen die Energie. Aus heutiger Perspektive ein schreckliches Bild, denn das metabolische Bauchfett ist ja die Todesursache Nr. 1 für den deutschen Mann. Der Blick ins Schlaraffenland wirkt heute auf uns, wie eine Wiese voller Todgeweihter in einer ganz schrecklichen Kohlenhydrathölle. – Würden wir heute eher so eine Art Wellness-Paradies bevorzugen? Wo man in blubbernden Whirlpools liegt und überlegt, ob man sich vor oder nach der Sauna auf eine Massageliege legt, um dann an der Bar ein paar frische Blattsalate mit Putenstreifen zu sich zu nehmen und ein stilles Wasser, das aus einer norwegischen Quelle stammt, die für ihre ausgefallene Kombination von Mineralstoffen berühmt ist.


Gnade und Friede sei mit euch
von dem der da war und der ist und der kommt. Amen.

1. Schlaraffenland und Wellnessoase

Liebe Gemeinde,
ist das Reich Gottes eigentlich wie das Schlaraffenland?
Sie erinnern sich:
Zuerst muss man die Mühen des Grießbreiwalls durchstehen. Da muss man sich hindurch essen.
Aber dann, wenn man auf der anderen Seite ist,
da fliegen dann die gebratenen Hähnchen durch die Luft
und auf den Wiesen stehen Lutscher als Blumen.
Die Menschen dort haben dicke Bäuche
und liegen einfach nur herum.
Sogar zum Sitzen fehlt offenbar die Energie.


Aus heutiger Perspektive ein schreckliches Bild,

denn das metabolische Bauchfett
ist ja die Todesursache Nr. 1 für den deutschen Mann.
Der Blick ins Schlaraffenland wirkt heute auf uns,
wie eine Wiese voller Todgeweihter
in einer ganz schrecklichen Kohlenhydrathölle.

Würden wir heute eher so eine Art Wellness-Paradies bevorzugen? Wo man in blubbernden Whirlpools liegt und überlegt,
ob man sich vor oder nach der Sauna,
auf eine Massageliege legt,
um dann an der Bar
ein paar frische Blattsalate mit Putenstreifen zu sich zu nehmen
und ein stilles Wasser,
das aus einer norwegischen Quelle stammt,
die für ihre ausgefallene Kombination von Mineralstoffen berühmt ist.

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Die Bilder des Schlaraffenlands stammen offenbar noch aus einer Zeit, in der man nicht genug zu Essen hatte.
Nur einmal in der Woche Fleisch.
Das war der Sonntagsbraten.
Mehr konnte man sich nicht leisten.
Und wer krank war oder besser gesagt rekonvaleszent,
der wurde wieder dick gefütter.
Wer etwas zuzusetzen hatte, war geschützt.
Und die Kinder wurde so fotografiert,
dass sie wie kleine rosige Möpse aussahen,
in dicke Kleidung eingepackt, damit sie sich nicht verkühlten.
Sie merken an der Art, wie ich das schildere,
dass ich hier biografisches Material verarbeite.
Dass meine Kinderfotos genauso aussehen

und das Ideal einer Familie damals das gute Essen war.

Und raten Sie jetzt mal,
warum im Lande der sengenden Sonne und der verschleierten Frauen, die Glaubensmärtyrer von ein Paradiesvorstellung geplagt werden,

in denen sie in einem kühlen Garten von 72 Jungfrauen bedient werden.

2. Was erwarten die Israeliten?

Unser Predigttext,
den die Kirche neu für den zweiten Advent herausgesucht hat, ist eine solche Schlaraffenland-Geschichte.
Sie können also mal versuchen herauszuhören,
was die Menschen damals brauchten,
was sie erhofften,
wie sie sich ein gutes Leben vorstellten.
Ja auch, wie sie sich Gottes Gegenwart unter ihnen vorstellten. Hören Sie zu und versuchen sie zu verstehen,
in welcher Situation jemand sein muss,
um einen solchen Traum zu träumen:
Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! Sagt den verzagten Herzen:
»Seid getrost, fürchtet euch nicht!
Seht, da ist euer Gott!
Er kommt zur Rache;

Gott, der da vergilt,
kommt und wird euch helfen.«
Dann werden die Augen der Blinden aufgetan
und die Ohren der Tauben geöffnet werden.
Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch,
und die Zunge des Stummen wird frohlocken.

Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen

und Ströme im dürren Lande.

Und wo es zuvor trocken gewesen ist,

sollen Teiche stehen,

und wo es dürre gewesen ist,

sollen Brunnquellen sein.

Wo zuvor die Schakale gelegen haben,

soll Gras und Rohr und Schilf stehen.

Und es wird dort eine Bahn sein und ein Weg,

der der heilige Weg heißen wird.

Kein Unreiner darf ihn betreten;

nur sie werden auf ihm gehen;

auch die Toren dürfen nicht darauf umherirren.

Es wird da kein Löwe sein

und kein reißendes Tier darauf gehen;

sie sind dort nicht zu finden,

sondern die Erlösten werden dort gehen.

Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen

und nach Zion kommen mit Jauchzen;

ewige Freude wird über ihrem Haupte sein;

Freude und Wonne werden sie ergreifen,

und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.

[Jesaja 35, 3-10]

So steht es beim Propheten Jesaja.

Ein Gott, der zur Rache kommt, wird da erwartet.

Und von verzagten Herzen und wankenden Knien ist da die Rede.

Also müssen die Menschen da wohl in einerSituation gewesen sein,

in der sie verletzt waren,

an der Sele verletzt,

gedemütigt,

so dass sie den Mut verloren hatten.

3. Rache oder die ersehnte Wertschätzung

Soweit ist das gar nicht weg von unserer Zeit,
denke ich gerade.
Nach meiner Reihe über die AfD erreichen mich immer mal Briefe mit wüsten Beschimpfungen,
giftigen Anfeindungen der Kanzlerin
und vor allem einer dicken Schicht von Enttäuschungen,
durch die sich die Autoren dieser Briefe
durchfressen wie durch einen Wall von Griesbrei.
Einen Gott, der zur Rache käme,
erwarten diese Menschen nicht mehr.

Soll ich sagen leider?

Aber Rache, Rache für sich selbst,

Rache für ihr Leben,

in dem sie sich zurückgesetzt und betrogen fühlen,

wünschen sich diese Menschen schon.

Sie träumen nicht davon,

etwas zu Essen zu bekommen.

Das haben sie.

Sie träumen davon, dass ihr Leben ins Recht gesetzt wird.

Sie träumen auch nicht davon, gesund zu sein.

Offenbar ist auch das keine Problem.

4. Wünsche im Exil

Aber hier in unserem Text
ist von Lahmen, Blinden, Tauben und Stummen die Rede.
Von Menschen, denen der Kontakt zu anderen fehlt,
weil ihre Sinnesorgane verschlossen sind
oder ihre Bewegungsapparate außer Betrieb.
Sie wollen wieder mittun.
Sehen, kören, sprechen und Laufen.
Das erwarten diese Menschen

Und dann kommt das Wasser in der Wüste,
das überall hervorquellen soll.
Die Fruchtbarkeit,
die überall den Wüstenboden in einn Garten verwandelt.
….
Und dann kommt der Weg,
der heilige Weg,
auf dem nur die Gerechten gehen
und der nach Zion führt,
zum Heiligtum,
dort wo Gott selbst wohnt.
Der Weg zu Gott also.

Wer die Geschichte Israels kennt,
weiß in diesem Moment,
dass die Menschen im Exil davon träumen zurückzukehren.
Sie wollen die Wasser Babylons,
wo sie saßen und weinten,
wenn sie Zions gedachten,
hinter sich lassen und wieder nach Hause.
Und damals war der Weg nach Hause auch der Weg zu Gott.
Denn diesen Gott, der sie auf dem Weg aus Ägypten begleitet hatte,

war seßhaft geworden und wohnte nun in einem Tempel. …
Und dementsprechend verstört waren die Israeliten,
als dieser Tempel zerstört wurde

und sie ins Ausland verschleppt;

von den Siegern gerichtet.

Deshalb sehnten sie sich nach einem Gott, der sie rächte

und nach dem Weg, der sie triumphal wieder nach Hause brachte

in eine Stadt, wo Gott wieder unter ihnen leben wuürde.

Mitten in der Zionsburg.

Ein feste Burg ist unser Gott sozsagen.

Ein triumphaler Weg zu Gott zurück.

Davon berichtet unser Text.

5. Jesus macht sich diesen Text zu eigen

Und er wäre nicht so berühmt,
wenn er nicht einmal eine große Rolle gespielt hätte.
Jesus sprach von diesem Text,
als er sagen wollte: Der Weg zu Gott beginnt mit mir.
Hören Sie diese Stelle aus dem Matthäusevangelium:
Da aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen:
Bist du, der da kommen soll,
oder sollen wir auf einen andern warten?
Jesus antwortete und sprach zu ihnen:
Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen,
Aussätzige werden rein und Taube hören,
Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
[Mt 11, 2-6] …
Eine eigenartige Antwort, nicht wahr?
Jesus sagt nicht: “Ich bin es!
Hört auf zu warten! Halleluja!”
Er spricht von dem Weg zu Gott.
Dem Weg zu Gott, der eingeleitet wird dadurch,
dass die Augen aufgehen und die Ohren wieder hören
und die Bewegungsfähigkeit sich wieder einstellt.
Und dazu noch spricht er von den Toten,
die wieder zurück ins Leben gehen
und von den Armen,
die positive Neuigkeiten hören,
wieder Hoffnung schöpfen,
dass sie nicht ihr ganzes Leben
außerhalb der sozialen Gemeinschaft verbringen müssen,

wie die Aussätzigen, die wieder rein werden sollen

und damit zurück integriert.

Keine Verachteten mehr, die gerade so ihr Leben fristen.

Er spricht nicht von sich, sondern von Gottes Gegenwart.

Unser Text aus dem Jesajabuch spricht von den Menschen,

die resigniert warten, aber dann aufbrechen

und auf der Bahn der Heiligen gehen.

Diesen Aufbruch verbindet Jesus mit sich selbst.

“Ich bin ein Aufbrechender”, sagt er,

einer der den Heiligen Weg zu Gott geht.

Und die Menschen mit mir gehen mit.

Sie können wieder sehen und gehen

und hoffen und hören

und brechen mit mir auf.

6. Wir sind Aufbrechende.

Es sind nicht nur die Wundertaten,
die großen Heilungen, die Jesus hier meint,
sondern er zitiert – wie alle Juden – den ganzen Text mit. “Wir sind Aufbrechende”, sagt er.
“Wir gehen zu Gott!”
Johannes fragt:
“Sollen wir noch warten?”
Jesus antwortet ihm:
“Nein, wir brechen auf!”
Er antwortet Johannes,
wie er es oft, meistens tut
mit einer überraschenden Wendung.
Wartet nicht auf den, der da kommen soll,
um alles in Ordnung zu bringen.
Macht euch jetzt schon auf den Weg!

Ist das Reich Gotte eigentlich wie das Schlaraffenland? Nein, es ist ein Aufbrechen.
Es geht nicht darum,
dass man sich durch einen dicken Brei frisst.
Es geht nicht darum, dass man geduldig wartet,
bis Gott kommt und uns rächt.
(Und in der Wartezeit auf die Regierung,
die Ausländer und die Kriminellen schimpft.)
Das Reich Gottes ist da, wo man aufbricht.
Der Advent ist vielleicht auch nicht so sehr ein Warten, sondern eher ein Aufbrechen.
Jesus will, dass wir unsere Augen auf etwas heften
und dann losgehen..

Ein Weg der Gerechten,
ein heiliger Weg,
ein Weg zu Gott,
aber mit offenen Ohren und aufmerksamen Augen und beweglichen Sinnen.

Das Reich Gottes ist Bewegung,
es ist ein Ziehen vom Ziel her,
ein Losgehen vom Start
und auf dem Weg, dem heiligen Weg, ereignet sich das Reich Gottes.

Es kommt, wenn wir es tun. Amen.

Und der Friede Gottes,

der höher ist, als all unsere Vernunft,
bewahre euere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.