Osterpredigt 2021

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Osterpredigt aus unserem Video-Gottesdienst 2021

 

I.

Gräber hätte es auch in Ägypten gegeben.
Die Bremer Stadtmusikanten sagen:
Etwas Besseres als den Tod finden wir überall.
Die Israeliten finden:
Wir haben hier nichts Besseres gefunden als den Tod.
Genauer gesagt: den Tod in der Wüste.
Erinnern Sie sich an die Situatuon?
Die Kinder Israel vor dem Schilfmeer?
Die Flucht ist zu Ende.
Hinter Ihnen das Heer der Ägypter
Vor ihnen das Meer.
Schluss.

Sie kennen die Geschichte aus der Kinderbibel.
Hier ist die Version für Erwachsene:

Mose führt das Volk Israel durch das Meer – Darstellung aus dem Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (um 1180)

Und der Herr verstockte das Herz des Pharao, des Königs von Ägypten,
dass er den Israeliten nachjagte.
Aber die Israeliten waren mit erhobener Hand ausgezogen.
Und die Ägypter jagten ihnen nach,
alle Rosse und Wagen des Pharao und seine Reiter und das ganze Heer des Pharao,
und holten sie ein,
als sie am Meer bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon lagerten.
Und als der Pharao nahe herankam,
hoben die Israeliten ihre Augen auf,
und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her.
Und sie fürchteten sich sehr
und schrien zu dem Herrn
und sprachen zu Mose:
Waren nicht Gräber in Ägypten,
dass du uns wegführen musstest,
damit wir in der Wüste sterben?
Warum hast du uns das angetan,
dass du uns aus Ägypten geführt hast?
Haben wir’s dir nicht schon in Ägypten gesagt:
Lass uns in Ruhe,
wir wollen den Ägyptern dienen?
Es wäre besser für uns,
den Ägyptern zu dienen,
als in der Wüste zu sterben.

Da sprach Mose zum Volk:
Fürchtet euch nicht,
steht fest und seht zu,
was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird.
Denn wie ihr die Ägypter heute seht,
werdet ihr sie niemals wiedersehen.
Der Herr wird für euch streiten,
und ihr werdet stille sein.
Da erhob sich der Engel Gottes,
der vor dem Heer Israels herzog,
und stellte sich hinter sie.
Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich
und trat hinter sie
und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels.
Und dort war die Wolke finster
und hier erleuchtete sie die Nacht,
und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher.
Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte,
ließ es der Herr zurückweichen
durch einen starken Ostwind die ganze Nacht
und machte das Meer trocken,
und die Wasser teilten sich.
Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen,
und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.
Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach,
alle Rosse des Pharao,
seine Wagen und Reiter,
mitten ins Meer.
Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Reiter,
das ganze Heer des Pharao,
das ihnen nachgefolgt war ins Meer,
sodass nicht einer von ihnen übrig blieb.
Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer,
und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.
So errettete der Herr an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand.
Da nahm Mirjam, die Prophetin,
Aarons Schwester,
eine Pauke in ihre Hand,
und alle Frauen folgten ihr nach mit Pauken im Reigen.
Und Mirjam sang ihnen vor:
Lasst uns dem Herrn singen,
denn er ist hoch erhaben;
Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt

II.
Sie sehen das Heer der Ägypter.
Vor ihnen das Meer, hinter ihnen ein Heer.
Eine kleine Hilfe kommt sofort.
So wie manchmal in unseren kleinen und großen Krisen.
Die Situation an sich ist noch genau wie vorher,
aber wir spüren einen Trost:

Es stellt sich ein Engel zwischen sie und das Heer.
Und dann zieht auch die Wolke dazwischen.
Die steht für Gottes Gegenwart.
Da drehen sie sich um
und sehen das Meer.
Das bedeutete damals den Tod.
Dann geschieht das Wunder.
Und die Geschichte bietet uns zwei Deutungen des Wunders an:
1. Der Ostwind bläst die ganze Nacht.
Das passierte damals immer mal,
und alle wussten, das Meer ist dann so flach,
dass Menschen mit leichten Gepäck – wie die Israeliten –
hindurchwaten können.
Aber Menschen mit Streitwagen und Eisenpanzerung
können schon mal steckenbleiben.
Das ist die natürliche Erklärung,
die unsere Geschichte dezent in den Raum stellt.

Und dann noch die 2. Deutung:
Wasserwände links und rechts,
aus denen ab und zu mal – verduzt – ein Fischlein schaut.
Das ist das grundstürzende Wunder,
das sich gegen alles aufbaut,
was wir aus Natur und Erfahrung kennen.
Die Wunder, die uns passieren,
sind auch manchmal solche,
wo man die Zusammenhänge
hinterher leicht erkennen kann.
Aber diese haben sich doch wunderbar gefügt.

Und dann auf der anderen Seite,
das grundstürzende Wunder,
bei dem man nicht weiß,
wie es geschehen konnte.
Gott rettet uns mal so mal so.

Jedenfalls taten die Israeliten den ersten Schritt
und ein Rabbiner im Talmud,
der über diese Geschichte nachdachte,
gab mal als Antwort auf die Frage,
was denn jetzt genau das Meer geteilt hat,
Mose mit dem Stab oder der Ostwind,
folgende gewitzte Antwort:
“Das Meer teilte sich, als die Israeliten den ersten Schritt taten.“
Das ist eigentlich noch eine dritte Variante
und gleichzeitig ein Ratschlag für alle Lebens-Situationen.
Auch wer es nicht alleine schafft und gerettet wird,
muss irgendwann den ersten Schritt tun.

III.
Durch das Wasser gehen ist wie die Taufe.
Durch den Tod ins Leben gehen.
Deswegen wird diese Geschichte
bei der Taufe gerne gelesen.
Für die Israeliten war diese Geschichte eine Art Urerfahrung des Glaubens:
Gott führt uns durch das Meer,
d.h. er führt uns durch den Tod ins Leben.
So wird Israel durch die Befreiung ein Volk,.

Auch als sie im gelobten Land ankamen,
passierte ihnen das gleiche.
Der Jordan lag vor Ihnen wie ein breites Meer.
Und wieder geschah das Wunder.
Josua ließ die Männer mit der Bundeslade voran gehen, und der Fluss teilte sich.
Nicht nur der Weg in die Freiheit führt durch das Meer, die Zone des Todes,
sondern auch der Weg in die Neue Heimat.

IV.
In diesem Jahr ziehen wir auch als Volk durch den Tod,
so wie die Israeliten durch das Meer.
Es ist so, auch wenn es schwer wahrzunehmen ist.
Draußen glitzert die Sonne.
In der Karwoche war das Wetter schön.
Aber die Intensivstationen werden geflutet.
Eigenartiger Weise verwenden hier alle Wasserbilder.
Die Intensivstationen laufen voll, sagen andere.
Das sieht man nicht.
Aber unsere Klinikseelsorgerin Hanna Kiethe
geht zu den Pflegerinnen und Ärzten,
die in der Intensivstation arbeiten
und bringt Ihnen einen kleinen Engel,
um ihnen Kraft zu geben.
Der Engel stellte sich zwischen die Israeliten und das ägyptische Heer.

Einige von uns geht es gut,
andere fürchten um die Existenz.
Aber die Seelen aller sind belegt, geschwächt.

V.
Immer braucht Ostern ein Gehen durch den Tod.
Voller Sorge gehen die Frauen zum Grab.
Und der Stein ist weg.
Und der Engel steht im Grab.

Wenn wir vor dem Tod stehen, lasst uns daran denken.
Man kann hindurchgehen,
wie die Kinder Israel durch das Meer
und über den Jordan.


Meistens geht es nicht ohne den Weg durch die Dunkelheit.
Auch in unserem Leben nicht.
Aber es gibt einen Weg hindurch.
Das erzählen uns die Geschichten,
auf die wir unser Leben bauen.
Es geht durch’s Meer,
es geht durch den Tod.
Der Stein ist weg,
die Wasserwände rechts und links.
Jedes Osterfest erneuert unseren Mut,
den ersten Schritt zu tun.
Amen.

Verfolgen Frank Hiddemann:

Seit 2015 Pfarrer in St. Marien und seit 2018 Leiter der Ökumenischen Akademie Gera / Altenburg (https://oek-akademie-gera.de/).