Konfirmation 2019

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Hier ist meine Predigt am Pfingstsonntag zur Konfirmation (9. Juni 2019) in St. Marien, Gera-Untermhaus.

 

Gnade und Friede
von dem, der da war und der ist und der kommt,
sei mit euch allen!

Simon Ronneberger wird gesegnet.

Liebe Gemeinde,
Wieviel Abschied liegt eigentlich in so einer Konfirmation?
Ich komme auf die Frage,
weil unser Predigttext,
das Evanglium des Pfingstsonntags,
eine Abschiedsrede ist.
Jesus nimmt Abschied,
ein paar Tage später wird er ans Kreuz genagelt.
Jetzt redet er noch vollmundig:
Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.
Und ich will den Vater bitten
und er wird euch einen andern Tröster geben.

Wieviel Abschied liegt eigentlich in so einer Konfirmation?
Und brauchen wir auch einen Trost?
Und wer gibt ihn?
Die Kinderzeit lasst ihr hinter euch, höre ich.
Die Konfirmation ist so eine Art Jugendweihe für Christen, höre ich.
Da wird der junge Christ zum Mann, die Christin zur Frau.

Aber eigentlich ist es ja umgekehrt.
Konfirmation heißt,
Lina, Simon, August und Jeremias heute:
nehmen ihre Taufe an.
Sie entscheiden sich für ihr Christsein,
das sie bisher nur so mitgeschleppt haben
oder das im Hintergrund irgendwo wölkte
oder in den

Lina Engländer wird gesegnet.

Spielen der Christenlehre vorkam..
Jetzt haben sie sich zwei Jahre lang
mit allen möglichen Themen des Glaubens auseinandergesetzt,
und sie wählen jetzt ihre Religion.
Sie werden bewusste Christen.

Sie sind noch nicht geschäftsfähig,
wie es das bürgerliche Gesetzbuch nennt,
auch noch nicht schuldfähig,
wie es das Strafgesetzbuch nennt.
noch lange nicht volljährig,
aber das erste, was sie wählen dürfen,
ist die Religion.
Religionsmündigkeit nennt man das.
Und diese Wahl ist das erste Stück vom Erwachsensein.
Der Rest kommt später.
Christwerden heißt also in diesem Fall Erwachsenwerden.

Und der Abschied von der Kindheit?
Der ist traurig für Eltern und Kinder.
Die Eltern denken an den Dreijährigen,
der ihnen strahlend entgegen stapfte,
als sie nach Hause kamen,
und dann an den Vierzehnjährigen,
der nicht mehr vom Handy aufblickt,
wenn man das Wohnzimmer betritt.

Und die Vierzehnjährige denkt daran,
wie sie sich geborgen fühlte,
als der Vater da war
und mehr musste gar nicht sein,
mehr brauchte es gar nicht.
Und an den Horror auf dem Schulhof,
wenn man gerade nicht das Richtige anhat
oder sich versehentlich uncool verhalten hat
oder ein Shitstorm aus dem Nichts entsteht

Für sich selbst verantwortlich sein,
heißt ständig kämpfen müssen
und davon bedroht sein,
zum Objekt des Spotts zu werden.
Ein Tröster wäre schon gut.

Jeremias Heinig wird gesegnet.

Und ich will den Vater bitten
und er wird euch einen andern Tröster geben.
den Geist der Wahrheit,
den die Welt nicht empfangen kann,
denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht.

Der Tröster, wie ihn Jesus verspricht,
ist ein Geist der Wahrheit.
Und es ist offenbar eine Wahrheit,
die die Welt nicht sofort einsieht.
Mit dieser Wahrheit zu kommen,
wird niemanden sofort überzeugen.
Sie ist wahrscheinlich nichts,
was man aus der Tasche holen kann,
im geeigneten Moment.
Aber vielleicht könnt ihr in ihr leben.

In der Wahrheit leben.
Ich fürchte, das heißt nicht,
immer Recht zu haben.
Vor allem nicht,
sich mit seiner Wahrheit immer durchzusetzen.
Wie gesagt, Jesus,
der in dieser Wahrheit lebte,
haben sie ins Kreuz genagelt.

Bei uns sitzen die Konfirmanden in der ersten Reihe.

Aber in der Wahrheit leben heißt,
sich sicher sein können,
gesehen zu werden,
sich sicher sein können,
richtig wahrgenommen zu werden,
sich sicher sein können,
akzeptiert zu werden,
ja, sich sicher sein können,
geliebt zu werden.
Die meisten Situationen,
die einen hohen Quälfaktor haben,
sind doch solche,
in denen wir selber nicht so genau wissen,
wie wir sind und wie wir sein wollen.
Wenn uns andere angreifen
und wir geben ihnen insgeheim Recht,
weil auch wir uns unangenehm, häßlich
oder einfach dumm finden,
jedenfalls in diesem Moment.
In diesen Momenten,
in denen wir uns selbst hassen,
da geben wir den anderen die Chance,
uns fertig zu machen.
Im Geist der Wahrheit zu leben heißt nicht,
eine Drachenhaut zu haben
oder eine Haut wie Siegfried,
der in Drachenblut badete
und deshalb unverletzbar wurde.
Es heißt verletzlich bleiben,
aber wissen, wo man hingehört.

Patenabschied

Ihr aber seht mich,
denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Jesus sehen können.
Das ist es vielleicht.
Er sagt diese Worte zum Abschied.
Als ob er weiß,
dass er stirbt und wieder lebendig wird.
Vielleicht weiß er es.
Er ist nicht umzubringen.
Verletzlich sein,
aber sich unverletzlich fühlen.
Etwas riskieren können,
weil man sich so fühlt.
Durchs Leben gehen mit dieser Haltung:
Er lebt und ich werde auch leben!

Wer mich liebt, der wird mein Wort halten;
und mein Vater wird ihn lieben,
und wir werden zu ihm kommen
und Wohnung bei ihm nehmen.
Ich frage meine Frau,
untypischerweise bügelt sie gerade:
“Was hältst du davon,
wenn Gott bei uns wohnt?” –
“Hoffentlich braucht er kein eigenes Zimmer!”,
antwortet sie.
“Und braucht er WLAN?
Oder geht das bei ihm so?”

Genauso unerwartet,
aber ungefähr die gleiche Richtung antwortet Rilke,
als ich ihn frage:
Du, Nachbar Gott, wenn ich dich manches Mal
in langer Nacht mit hartem Klopfen störe, –
so ists, weil ich dich selten atmen höre
und weiß: Du bist allein im Saal.
Und wenn du etwas brauchst, ist keiner da,
um deinem Tasten einen Trank zu reichen:
ich horche immer. Gib ein kleines Zeichen.
Ich bin ganz nah.
Zuerst denkt man:
Da sucht jemand Gott.
Ganz klassisch in der Nacht, grübelnd, suchend.
Klopfet an, und euch wird aufgetan,
sagt Jesus einmal..
Und so klopft jemand in der Nacht.
Aber nicht, um ihn zu suchen,
sondern um sich zu vergewissern,
dass es ihm gut geht.
Ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben.
erzählt Jesus in einem Gleichnis.
In diesem Gedicht ist Gott einsam und durstig.
Und jemand sorgt sich um ihn.

Vor der Kirche

Seit Jesus auf der Welt war, woht Gott bei uns.
Er begegnet uns manchmal
im Durstigen, Hungrigen, Einsamen, Fremden.
Er ist auch manchmal der Nachbar,
bei dem man klopfen kann,
um Hilfe zu holen.
Ein Nachbar, bei dem man froh ist, dass er da ist
und den man gerne trifft,
weil man sich hinterher besser fühlt.
Es ist immer überraschend,
Gott zu begegnen.
Das ist so, weil er lebendig ist.
Er ist kein Prinzip,
kein Name und kein Bild,
sondern ein Gegenüber,
das uns meistens überrascht.

Den Frieden lasse ich euch,
meinen Frieden gebe ich euch.
Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.
Euer Herz erschrecke nicht
und fürchte sich nicht.

So endet die Abschiedsrede.
Ein Herz kriegen,
das nicht mehr erschrickt.
Auch das ist ein Wort für das Erwachsenwerden.
Klar auch Erwachsene haben Ängst.
aber ein Herz, das erschrickt,
ist etwas Grundstürzendes.
Das Herz ist die Mitte unserer Person.
Wir taumeln als Ganzes,
wenn es erschrickt..
Aber Jesus sehen,
Gott als Nachbar haben
und in der Wahrheit leben,

Fröhliches Treiben vor/nach der Kirche

sind starke Kräfte gegen diese Schrecken.
Ich wünsche euch,
dass ihr beim Erwachsenwerden
auf diese Steine baut.
Nein es sind keine Steine,
auf die ihr baut,
es ist der Gesit, in dem ihr lebt.
Der pfingstliche Geist,
der Tröster,
der Mutmacher,
der Auswegsucher,
der Friedengeber:
Den Frieden lasse ich euch,
meinen Frieden gebe ich euch.
Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.
Euer Herz erschrecke nicht
und fürchte sich nicht.
Amen.

Und der Friede Gottes,
der weiter ist als unsre menschliche Vernunft,
behalte eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus, unserem Herrn!
Amen.

Verfolgen Frank Hiddemann:

Seit 2015 Pfarrer in St. Marien und seit 2018 Leiter der Ökumenischen Akademie Gera / Altenburg (https://oek-akademie-gera.de/).